Frieda wird 1879 in Bischofszell geboren. Ein braves, in sich gekehrtes Kind. Sie lernt Schneiderin. Doch das Geld reicht nirgends hin, Frieda muss am Wochenende im Wirtshaus Post servieren. Wirt Carl Zimmerli wirft ein Auge auf die zarte Frau. Er schickt die 18-Jährige in den Keller, um Most zu holen – und folgt ihr. Frieda ist ihm ausgeliefert, sie wird vergewaltigt – und schwanger. Eine Schande. Nicht für den Peiniger, sondern für das Opfer. Sogar der eigene Vater verstösst Frieda. Im Jahr 1904 bringt die 25jährige Näherin Frieda Keller ihren Sohn Ernstli, das Kind des Peinigers, um und verscharrt den Körper des Fünfjährigen im sankt-gallischen Hagenbuchwald. Kurz darauf wird die Leiche gefunden und die verzweifelte Mutter, Opfer und Täterin zugleich, gesteht das Verbrechen. Nebst den Behörden und der eigenen Familie richtet sich auch das frauenfeindliche Gesetz von damals gegen sie. «Eine Weibsperson», so der Wortlaut im Urteil, müsse «die Folgen ihrer Unsittlichkeit selbst tragen.» Trotz heftigen Protesten aus der Bevölkerung wird Frieda Keller am Ende eines öffentlichen Prozesses im St.Galler Grossratssaal vor Hunderten Schaulustigen zuerst zum Tode verurteilt und in Folge mit lebenslanger Zuchthausstrafe in Einzelhaft ‘begnadigt’. Nicht nur die bigotte Begnadigung war eine Schande, sondern auch die Tatsache, dass ihr Vergewaltiger, der verheiratete Carl Zimmerli, nie zur Rechenschaft gezogen wurde. Das damalige Gesetz schützte Verheiratete, die sich an Frauen vergriffen. «Ein Mann, der fremd gehe, sei schon genug bestraft durch den Streit, den er danach zu Hause mit seiner Ehefrau austragen muss.» aus der Luzerner Zeitung
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